Selbstbildnis mit Mütze

Objekt / Fotografie

1996-2013 / 2014 -

eigenes Haar, Seide, Stoff

fototechnische Realisierung:
Jan Stradtmann
Filzarbeiten:
Ilka Heimbold
Hutmacherarbeit:
Solveig Rosenowski

Seit vielen Jahren sammelt Bertram Haude sein Kopfhaar und läßt dieses zu eigenen Kleiderstücken filzen. Angestrebt ist die Einkleidung des ganzen Körpers bis zum Tod.

Fast alle Dinge, die der Mensch für sein irdisches Leben benötigt, werden nicht von ihm selbst hervorgebracht. Speisen, Kleidung, Wolle, Leder, aber auch Baumaterial, Erdöl, all das nimmt er sich von anderen Lebewesen. Was bringt er aus sich selbst hervor? Womit dient er sich und anderen? Nicht einmal seine Blöße kann der Mensch selbst bedecken. Sein Überleben beruht auf der Ausbeutung unzähliger Lebewesen. Um sich selbst mit seinem eigenen Haar zu schützen bedarf es schon eines ganzen Lebens.

Die Bildsprache nimmt Anleihen bei der Portraitkunst der Renaissance: Eine herausgestellte, raum- und zeitlose Darstellung, die nur auf das Individuum einzugehen versucht, das sich seiner Subjektivität in hohem Maß zu vergewissern Willens ist. Der Übergang zum Nominalismus (via moderna), der die Anerkennung und Realsetzung des Einzeldinges, des Subjekts lehrt, wird in der Bildkunst des 15. und 16 Jh. sichtbar: Stolz, selbstbewußt und unabhängig lassen sich nicht nur weltliche Fürsten sondern nun auch Bürger malen. Die in solchen repräsentativen Bildwerken oft vermittelte soziale Stellung über prunkvolle Kleidungsstücke, oft auch extravagante Kopfbedeckungen, wird hier ersetzt durch ein Objekt, welches nicht als Repräsentation von Stand und Macht sondern als eines der Zurücknahme verstanden werden könnte. Die Transformation des “alten” Menschen zu einem modernen Subjekt kommt als Bewegung jedoch insofern an ihr Ende, wie sich die Nöte des nur auf sich selbst bezogenen Subjekts abzeichnen. Andererseits gelangen wir dadurch in eine weitere Misere: Die Erschöpfung der Schöpfung als Folge irreversibler und rücksichtsloser Emanzipationsversuche von Natur, gerät uns zu einem Schaden, der uns selbst wieder in die “Natur” zurückschlagen wird.

Die Form der Mütze ist weit verbreitet. Man sieht (sah) sie in der einfachen bäuerlichen Welt des Ostens. Vielleicht kommt sie von der Sikke, die Kopfbedeckung der Suffis, der Derwische. Der Begriff Derwisch entstammt der Hochsprache Urdu: darwaishanathabiyath. Dieser Ausdruck beschreibt eine Haltung, die materiellen Besitz und weltliches Ansehen gering achtet. Die Übersetzung als "Bettler" ist nicht unbedingt wörtlich zu verstehen, denn der Begriff dient als Inbegriff dafür, dass derjenige, der sich auf dem Weg der Gottsuche befindet, seine eigene geistige "Armut gegenüber dem Reichtum Gottes " erkennt.