Brotbefreiung

Intervention

2003, Neustadt/Orla

Unangemeldeter Austausch
des Prangersteines am Rathaus
durch ein frisches Brot.
Dauer: 5 Wochen

Am Rathaus in Neustadt an der Orla, einer Kleinstadt in Thüringen, hängt an einem eisernen Ring ein steinernes Brot, worauf eine ebenso steinerne Kröte sitzt. Diese Sehenswürdigkeit war früher als Prangerstein, heute vielleicht noch als Mahnstein in Verwendung.
Ich habe diesen sogenannten “Krötensteins” durch ein frisch gebackenes Brot (Nachbildung des Original) ersetzt.

Folgende Sage wird zu diesem Stein erzählt: Ein Bürger, welcher einen ansehnlichen Besitz sein Eigen nannte, überschrieb, noch im rüstigen Alter, seinen Kindern Haus und Hof. Dafür sollten seine Erben ihn bis zu seinem Lebensende ernähren und pflegen. Das wurde ihm auch zugesichert. Als er im hohen Alter jedoch Jahr um Jahr weiterlebte, wurden sie seiner überdrüssig und vernachlässigten ihn. Sie ließen ihn nicht mehr am Leben der Familie teihaben, er wurde nicht mehr zum Essen geladen, ja man verschloss ihm endlich sogar den Brotschrank. Als nun der alte Mann zuletzt seinem Hunger und seinem Gram erlag und gestorben war, fanden seine Kinder im Brotschrank auf dem Brotlaib eine große giftige Kröte, die sich durch nichts vertreiben ließ. Und so oft sie neues Brot buken und es in den Brotschrank legten, so saß auch die Kröte wieder darauf. 

Die aktuelle Situation in vielen ostdeutschen Städten und Regionen lässt sich in gewisser Weise mit dieser alten Legende vergleichen: Viele junge Menschen wandern ab, um in der Ferne ein neues Leben zu beginnen. Nur die Älteren bleiben zurück, und so sind die Beziehungen zwischen den Generationen wieder schwierig geworden. Der Platz vor dem Rathaus wurde im Jahr 2000 von Rechtsextremisten zur “national befreiten Zone” erklärt. Die Aktion nutzt die alte Geschichte, um die Situation noch einmal zu hinterfragen.