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garden light poster

garden-light-poster

von LILIAN ENGELMANN

 

Katalogtext zur Arbeit von Bertram Haude für das Kunstprojekt Oschatz 51,3°/13,1

(Katalog erschienen beim L&H Verlag, Berlin, ISBN 3-939629-04-9, vergriffen)

 

Inmitten floraler Themenparks, einem künstlich angelegten See und der Präsentation von Pflanzen und Zuchterfolgen stehen vier Werbe-Leuchtkästen, die sonst üblicherweise im Stadtraum zu finden sind.

Die City-Lights von Bertram Haude enthalten Plakate mit Vergrößerungen von Landschaften, die er aus der Werbung entnahm. Von diesem Ausgangsmaterial entfernte er die Schrift und alle weiteren Zusätze.

Die Motivwahl erfolgte so, dass eine Zuordnung von Bild und Produkt nicht unmittelbar augenfällig ist.

Über einen Zeitraum von 12 Jahren werden die Kästen in Abständen mit neuen bearbeiteten Bildern, die der jeweils aktuellen Werbung entnommen werden, bestückt. Mit „garden-light-poster“ setzt sich Bertram Haude kritisch mit dem Verständnis von Natur und ihrer Darstellung auseinander. Die City Lights thematisieren dabei ebenso die Imagination von Natur, die sich auf der Landesgartenschau in Oschatz, ins Reale umgesetzt, als gebaute und geplante Natur wieder finden lässt.

 

Ursprünglich dienten die von Bertram Haude benutzten Bilder als Hintergründe auf Verpackungen verschiedener Produkte Bei einer Vielzahl von qualitativ immer ähnlicher werdenden Waren dient Werbung häufig nicht mehr dazu, über die Funktion oder den Zweck eines Produktes zu informieren, sondern sie soll Emotionen wecken und Atmosphären vermitteln.

Die Darstellung von Natur als Landschaften wird dabei bewusst eingesetzt, um Assoziationen, wie Reinheit, Ursprünglichkeit und Natürlichkeit zu wecken, die sich mit der Einschätzung des Produktes verbinden sollen. Die Bilder der Werbung begegnen uns im Alltag massenhaft. Sie wecken nicht nur Wünsche, sie prägen auch unser Werte und Vorstellungen. Auch wenn die in der Werbung verwendeten Landschaften tatsächlich wenig oder gar nichts über das umworbene Produkt aussagen, so geben sie doch Aufschluss darüber, welche Bilder von Natur in einer Gesellschaft existieren.

 

Was wir in der Werbung sehen ist die Repräsentation von Natur als makellose und intakte Landschaft. Diese Landschaften zeigen eine vollkommene und unverbrauchte Natur und kommen damit unseren Wünschen nach einer nicht von Industrialisierung und Ressourcenabbau geprägten Natur nahe. Grüne Wiese mit Wildblumen, Kühe vor schneebedeckten Gipfeln, strahlend blauer Himmel, Fische, die in sonnig glitzernden Bächen schwimmen, sehen wir in Zeitschriften, Urlaubskatalogen und im Fernsehen und wecken in uns eine Sehnsucht nach eben jener gestaltet aber vermeintlich für ursprüngliche gehalten Natur.

Durch die ebenfalls medienwirksame Arbeit der Naturschutz- und Umweltverbände wissen wir aber längst, das diese Natur ohne den Eingriff des Menschen gar nicht existieren kann oder nicht das zu sein scheint, was wir sehen. Kaum ein Fleck Natur in Europa ist nicht durch den Menschen bereits gestaltet worden. In Mitteldeutschland prägt der Tagebau nicht nur während des Kohleabbaus die Gestalt der Gegend. Die nach dem Abbau gefluteten riesigen Löcher verraten nicht nur nichts über die Zeit vor dem Kohleabbau, die neu angelegte Seenlandschaft schweigt auch über die Industriegeschichte dieser Region und der dadurch ausgelösten Landschaftsgestaltung.

 

Die Bilder in der Werbung sollen das widersprüchliche Verhältnis zwischen Mensch und Natur, das zwischen Verklärung und Romantisierung einerseits und Ressourcenabbau und Zerstörung andererseits changiert, harmonisieren. Der Zerstörung und dem damit einhergehenden Verlust von Natur wird ein ästhetisches Bild von Natur als idyllische Landschaft entgegengesetzt. Landschaften sind somit keine natürlichen Gegebenheiten, vielmehr werden einzelne Bestandteile der Natur – wie Felder, Wiesen, Seen, Bäume – gefiltert durch kulturelle Vorstellungen, Werte und Sehnsüchte wahrgenommen und zu einem Ganzen zusammengesetzt. Landschaften als Bilder von Natur lassen so Aussagen darüber zu, wie Natur aussehen soll. Durch die Ästhetisierung, die als Ersatz und wie eine Verdrängung des Ist-Zustands funktioniert, wird jedoch eine Form der Anästhesierung erreicht. Eine Betäubung, die uns gegenüber der Situation unserer Umwelt abstumpfen und die Abbildungen von Natur für real halten lassen.

In den City-Lights erscheinen die verwendeten Bilder, die einst dazu dienten konsumierbar zu sein und konsumierbar zu machen nicht mehr als das, was sie einmal waren.

Durch die Vergrößerungen und Retuschierungen werden nicht nur die grafischen Strukturen des Bildes erkennbar und damit dessen Bildhaftigkeit betont, sie lenken jetzt den Blick auf jene Werbehintergründe die auf dem Weg vom Supermarktregal bis zur Mülltonne kaum betrachtet werden: gelb schwefelige Nebelschwaden, lila farbige Berge, und ein giftgrüner Himmel. Während in den vollständigen Montagen der Verpackung und Werbung diese Details scheinbar wenig bewusst wahrgenommen werden, fokussiert Bertram Haude den Blick des Betrachters in seinen City Lights genau auf diese Stellen. Sie zeigen, das es sich bei diesen Darstellungen von Natur um Bilder handelt, die beliebig zusammensetzbar und verändert werden können. Indem Bertram Haude jene Bilder auswählte, die nicht einfache idealisierte Landschaften zeigen, sondern in denen durch farbliche und andere Eingriffe Veränderungen vorgenommen wurden, hört seine Kritik an jenen Bildern nicht an der Ästhetisierung von Natur auf.

Es geht ihm ebenso um die Wirkung, die jene Bilder haben. Diese Bilder schaffen es merkwürdigerweise trotz des grünen Himmels und des schwefeligen Nebels uns die Frische und Gesundheit des umworbenen Produktes zu suggerieren.

So wie die Bilder eine Idealisierung von Natur visualisieren, so sind die gebauten, gestalteten und gestutzten Gärten unsere, in der Realität konkret verwirklichten, Vorstellungen von Natur. Oder anders: Gärten sind die begehbaren Bilder von Natur. Durch sie werden Utopien auf einer begrenzten Fläche Wirklichkeit und der gestaltende Eingriff und damit auch die Beherrschung von Natur demonstriert. Blumen, Bäume, Wasser lassen sich anordnen und unliebsame Pflanzen oder Tiere bleiben durch gärtnerisches Geschick außen vor. Auch der Garten wird somit zu einem Ort an dem das prekäre Verhältnis zwischen Mensch und Natur überdeckt wird. Der angelegte Garten lenkt und prägt dabei, wie die Bilder in der Werbung, die Wahrnehmung von Natur. Sind die Bilder von Natur Imaginationen, so wird im Garten eine Vorstellung von Natur ins Reale umgesetzt. Die im Bild konstruierte Landschaft erhält im Garten ihre konkrete Umsetzung.

Durch die Aufstellung der City-Lights auf dem Gelände der Landesgartenschau verweist Bertram Haude auf den konstruktiven Charakter von Natur als Landschaft im Bild und im Garten.

Er hinterfragt die am konkreten Ort manifestierte Vorstellung von Natur. Seine Werbeplakate stellen eine vermeintliche Natürlichkeit in Frage und verweisen auf das Bildhafte unserer Vorstellung von Natur.

 

 

 

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