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"Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet?"

Braucht Kunst Kapitalismus?

von HENDRIK PUPAT

(www.rundgang-kunst.de vom 01.02.2005)

 

Mit einer Podiumsdiskussion endete nach zwei Jahren das GfZK-Projekt „Kulturelle Territorien“. Das Podium war prominent besetzt, der Saal rappelvoll, das Thema provokant, doch das Gespräch lahm. „Braucht Kunst Kapitalismus? – eine Zwischenbilanz der Kunst 15 Jahre nach der Wende“ fragte die Galerie für Zeitgenössische Kunst zum Abschluss ihres Zweijahresprojekt „Kulturelle Territorien“, das sich der Konstruktion Osteuropas widmete, einer Region, die weit mehr politisch denn geografisch bestimmt ist, schließlich umfasst sie auch Zentral- und Südeuropäische Gebiete.

 

Aus Dresden angereist war Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt, eingeladen nicht zuletzt als promovierter Wirtschaftswissenschaftler; Renate Wiehager, die für Daimler-Chrysler eine Kunstsammlung pflegt, war da; außerdem Kristina Leko, Künstlerin aus Zagreb, Doris Ziegler, Professorin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Galerist Gerd Harry Lybke und GfZK-Chefin Barbara Steiner. Die Moderation wurde dem Berliner „Kunstmanager“ Klaus Siebenhaar anvertraut, was, Pardon, ein Fehler war. Siebenhaar sprach die halbe der ohnehin knapp bemessenen Zeit selbst, er sprach überlangsam und überbetont, schwer erträglich. Das Resultat: von einigen der zum Teil weitangereisten Podiumsgäste vernahm das Publikum im prallvollen Saal keine fünf Sätze. Eine Diskussion, ein Abwägen von Positionen fand nicht statt.

 

Kristina Leko, die leider wenig zu Wort kam, beantwortete die Titelfrage denkbar knapp: „Nein.“ Milbradt schloss sich ihr mit der Bemerkung an, dass es Kunst zu allen Zeiten und in allen Systemen gegeben habe, es aber gut sei, wenn sich nicht nur der Staat für die Kunst verantwortlich fühle, wobei ja Staatskunst heraus käme. Die Leipziger Malerin Doris Ziegler sagte, dass sich ihr künstlerisches Schaffen vor und nach der Wende nicht verändert habe. Renate Wiehager von Daimler-Chrysler sieht sich in einem Spannungsfeld: Es gebe Mitarbeiter, die es nicht verstehen, dass ihr Unternehmen Geld in Kunst stecke, andererseits seien innerbetrieblich regelreiche Kreise von Kunstfreunden entstanden. Inzwischen fänden sich in der Sammlung sogar politische und kritische Arbeiten.

 

Barbara Steiner behauptete, dass im Osten das bürgerliche Engagement geringer sei als im Westen. Und Gerd Harry Lybke glaubte klarstellen zu müssen: „Der Kapitalismus hat gesiegt.“ Unfassbar eigentlich, dass ihm niemand widersprach, nicht einmal Ministerpräsident Milbradt, der es doch wirklich besser wissen müsste. Schließlich leistet sich Deutschland noch immer eine soziale Marktwirtschaft, was nichts anderes bedeutet, als dass der Kapitalismus an der Leine liegt, also noch nicht gesiegt hat und hoffentlich nie siegen wird, denn dann würde es Einrichtungen wie die Künstlersozialkasse nicht mehr geben.

 

Gegen Ende ließ Moderator Siebenhaar eine Frage aus dem Publikum zu. Dann schloss er vorzeitig, verschenkte zehn der vereinbarten 90 Minuten. Insgesamt ein müdes Finale eines stark gestarteten Projekts. ...

 

Ein Jahr später – bei der Podiumsdiskussion am 31. Januar 2005 – stammte der reizvollste Beitrag von einem Künstler, der weitestgehend am Kapitalismus vorbei arbeitet.

Von Bertram Haude, der dem Podium als Überbau ein Karl-Marx-Zitat verpasste: „Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet?“ Schönes Thema eigentlich.

 

 

 

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