Seit vielen Jahren sammelt Bertram Haude sein Kopfhaar und läßt dieses zu eigenen Kleiderstücken filzen. Angestrebt ist die Einkleidung des ganzen Körpers bis zum Tod.
Fast alle Dinge, die der Mensch für sein irdisches Leben benötigt, werden nicht von ihm selbst hervorgebracht. Speisen, Kleidung, Wolle, Leder, aber auch Baumaterial, Erdöl, all das nimmt er sich von anderen Lebewesen. Was bringt er aus sich selbst hervor? Womit dient er sich und anderen? Nicht einmal seine Blöße kann der Mensch selbst bedecken. Sein Überleben beruht auf der Ausbeutung unzähliger Lebewesen. Um sich selbst mit seinem eigenen Haar zu schützen bedarf es schon eines ganzen Lebens.
Die Bildsprache nimmt Anleihen bei der Portraitkunst der Renaissance: Eine herausgestellte, raum- und zeitlose Darstellung, die nur auf das Individuum einzugehen versucht, das sich seiner Subjektivität in hohem Maß zu vergewissern Willens ist. Der Übergang zum Nominalismus (via moderna), der die Anerkennung und Realsetzung des Einzeldinges, des Subjekts lehrt, schlägt gesellschaftlich im 15. und 16 Jh.durch und wird in der Bildkunst dieser Epoche deutlich: Stolz, selbstherrlich und unabhängig lassen sich weltliche Fürsten und nun auch Bürger dieser Zeit malen. Die in solchen repräsentativen Bildwerken oft vermittelte soziale Stellung über prunkvolle Kleidungsstücke, oft auch extravagante Kopfbedeckungen, wird hier ersetzt durch ein Objekt, welches nicht als Repräsentation von Selbstgewissheit und Macht sondern als eines der Zurücknahme verstanden werden könnte. Die Befreiung des mittelalterlichen Menschen zu einem modernen, freien Subjekt kommt als Bewegung insofern an ihr Ende, wie sich einerseits die Nöte des nur auf sich selbst bezogenen Subjekts und andererseits die Erschöpfung der Schöpfung als Folge irreversibler und rücksichtsloser Emanzipationsversuche von Natur abzeichnen.
Die Form der Mütze ist derjenigen der Sikke entlehnt, die Kopfbedeckung der Suffis, der Derwische. Der Begriff Derwisch entstammt der Hochsprache Urdu: darwaishanathabiyath. Dieser Ausdruck beschreibt eine Haltung, die materiellen Besitz und weltliches Ansehen gering achtet. Die Übersetzung als „Bettler“ ist nicht unbedingt wörtlich zu verstehen, denn der Begriff dient zugleich als Symbol dafür, dass derjenige, der sich auf dem Weg des Sufismus befindet, seine eigene „Armut gegenüber Gottes Reichtum“ erkennt. Die Sikke in ihrer typischen Form als kegelförmig zulaufende Filzmütze geht vermutlich auf die Kopfbedeckungen der Magiere des alten Iran bzw. auf Mützen der umherziehenden Anhängern Zarathrustras zurück.