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"Expo 2000"

Eröffnungsrede am 7.9.2000 im Kunstraum B2, Leipzig

von BERTRAM HAUDE

 

In einem Gespräch wurde Susan Hiller (Künstlerin) von Stuart Morgan gefragt: "Wie sehen Sie ihre eigene Arbeit?" Worauf hin sie antwortete: "Ich weiß nie ob es eine Arbeit ist oder nicht. Mir ist bewußt, daß es vielleicht die Schwierigkeit gibt, am Ende mit Fragmenten als Beweis für irgendetwas dazustehen."

 

Nun stehe ich da und habe die Beweise meiner vorläufig beendeten Arbeit hinter mir hängen. Der fragmentarische Beweis für irgendetwas; ja, für was eigentlich?

 

Im März 1999 fielen mir die ersten Werbeblätter in die Hände, die ankündigten, daß Leipzig-Plagwitz ein Vorzeigeprojekt innerhalb der gigantischen EXPO 2000 werden sollte. Unter dem Expo-Thema: "Mensch-Natur-Technik" präsentiert sich die Stadt Leipzig mit dem Motto: "Leipzig. Den Wandel zeigen." Zitat Leipziger EXPO-Guide: "Anhand von vier einzigartigen registrierten Projekten der Weltausstellung wird der gesellschaftliche Wandel, der seit 1989 in Deutschland stattfindet, sichtbar gemacht. Leipzig war dabei der Ausgangsort der friedlichen Revolution von 1989. Deshalb kann der Besucher die tiefgreifenden Veränderungen in keiner anderen Stadt so konzentriert und authentisch erleben wie in Leipzig."

 

Für mich stellen sich folgende Fragen: Wer oder was verändert hier wen, und wo und wie greifen die Veränderungen tief? Wenn also diese Fragen zur Weltausstellung gestellt werden, dann scheint mir die Betrachtung der Lebenswelt unabdinglich. Wer ist das eigentlich, der diese "Welt" bewohnt? Wer ist dieser Mensch, der als erstes im Programm steht und dem die Botschaften der Industrie in Leib und Seele geschrieben werden sollen? Wie lebt dieser Mensch, was ist ihm wertvoll, ihm, dem die EXPO "Lösungen für das neue Jahrtausend" anbieten will? Wie sieht er denn aus, der Konsument, der Bürger und EXPO-Schuldenzahler? Wird dieser Mensch überhaupt gefragt, wer er ist, was er möchte, was ihm ganz persönlich wichtig ist?

 

Diese Fragen habe ich versucht direkt zu stellen, und zwar hier im Expo Gebiet Leipzig-Plagwitz. Folgende Projektidee habe ich dazu entwickelt:

 

• Unter dem Titel "Stelldichein und Stelldichaus" habe ich alle Einwohner von Leipzig-Plagwitz, parallel zur EXPO, eingeladen, Fotografien einzusenden, auf denen sie selbst zusammen mit ihrem "Privat-Exponat" zu sehen sind. Alles, was man charakteristisch und wichtig für die eigene Person empfand, konnte Gegenstand sein. Die Wahl war völlig freigestellt. Das Wunschziel waren 2000 Bilder (ca.5300 Haushalte im Stadtgebiet).

• Das Ergebnis dieser Einladung sollte öffentlich ausgestellt werden (was hiermit geschehen ist).

• In der letzten Ausstellungswoche sollen die Fotografien freigegeben werden, d.h. jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin, kann sich sein Lieblingsbild mitnehmen, ausgenommen sein eigenes. Somit würde das Projekt kein fixiertes Ende im Kunstkontext nehmen, sondern im Stadtteil weiter fortbestehen (25.9.-29.9.).

 

Ein Anliegen dieses Projektes ist es, nicht nur eine passive Kenntnisnahme der Expo 2000 hinzunehmen oder eine Antihaltung zu demonstrieren, sondern diesen Anlaß bewußt für einen Prozeß der Identifikation der Einwohner mit sich selbst und ihrem Stadtteil zu nutzen.

Meine Idee, die ich anfänglich der offiziellen EXPO als "Ergänzungsprogramm" angeboten hatte, wurde dort als irrelevant abgelehnt. Bald aber, als sich die tatsächlichen Ausmaße, Absichten und Fehlschläge der EXPO abzeichneten, war klar, daß dieses Projekt mit den Intentionen der EXPO 2000 nicht zur Deckung kommen kann. Ich distanziere mich von den Absichten und dem Geist der EXPO 2000.

 

 

Leider haben alle meine Bemühungen nicht ausgereicht, die Plagwitzer Einwohner im beabsichtigten Ausmaß zu erreichen.

 

Ich bedanke mich bei allen, die Fotos zugesandt haben.

Für die ermutigende und hilfreiche Mitarbeit am Projekt möchte ich mich bei allen, die mitgedacht und mitgemacht haben bedanken.

Namentlich bedanke ich mich bei Silke Kosbab, Jan Stradtmann, Kathleen Rothe, Klaus Eichler, Jens Volz, Tina Bara, Karla Fiedler, Udo Schneider, Rudolf Schütte, Anna Frauendorf, Dorit Phillip, Anke Zeitzschel und dem Kunstverein B2 für die Ausstellungsmöglichkeit.

 

 

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