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revolution,-

Die Arbeit revolution,- wurde für das Festival

WESTEND 05 - know your rights, entwickelt.

Kuratiert von LILIAN ENGELMANN und HEIKE ALBRECHT

 

 

An einen Stand wurden während der Festivaltage von 9:00 bis 18:00, also auch am 17.Juni, „Waren” bzw. „Schnäppchen” für den Revolutions-/Demonstrations"bedarf" sehr billig angeboten. Dazu gehörten Tomaten, Bananen, Eier, Spruchbänder, Schilder, Pflastersteine, Sonnenbrillen, Pfeifen, Musik, Barrikadenmaterial, rote Nelken, Kerzen usw.

 

Am vorhergehenden Wochenende wurde eine Zeitungsbeilage mit dem Produktangebot in Form der üblichen Werbebeilagen (Layout von real,- Supermarkt, A3 gefaltet, 4farbig) an die Haushalte in Plagwitz, Lindenau, Schleußig und im Zentrum von Leipzig verteilt.

 

Der Stand versucht, ein doppeltes Bild zu entwickeln: zum einen erscheint eine Art Ausverkauf/Restverkauf stattzufinden, der ein Scheitern der herkömmlichen Widerstandsform(en) zu unterstellen scheint. Zweitens möchte die Arbeit die Möglichkeit der Vereinnahmung jeglichen Widerstands gegen den absoluten Markt gerade mit seinen eigenen Mitteln thematisieren.

 

Die Frage nach der Welt, die man zu haben können glaubte, sowie das Ableben einer tätigen, massenhaft getragenen Opposition zum status quo der kapitalistischen Ordnung soll gestellt sein.

Zur Disposition steht die Möglichkeit und die Relevanz einer politischen Handlungsfähigkeit, welche sich, demokratisch betrachtet, in einer klassischen Mehrheitsbekundung besonders mittels Demonstration Ausdruck verleihen möchte.

Zur Frage steht der Kampf bzw. die Relevanz genau dieser Art von Kampf in unserer Zeit, in der alles marktfähig gemacht und somit aufgesogen werden kann.

Die Revolution als game?

 

Die Arbeit entwickelte ein abstraktes Bild, welches die Ersatzbefriedigung bestimmter Bedürfnisse und die Verdrängung gelegentlich aufkommender Ideale mit massenhaft und billigen Konsumgütern zum Gegenstand nimmt.

 

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Frankfurter Rundschau vom 23.6.2005

von FRANZ ANTON CRAMER

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Die Revolte ist nicht als Schnäppchen zu vermarkten: In Leipzig erobert das Festival „Westend 05“ mit Theater und bildender Kunst die urbane Leere in einem geschundenen Stadtteil. Wenn Kulturbetrieb der Versuch ist, eine spezifische Form von Öffentlichkeit herzustellen, dann ist das Format „Festival“ die Steigerungsform.

Seit Wagners Bayreuth-Idee, Georg Fuchs‘ „Schaubühne der Zukunft“ oder Hofmannsthals Salzburger Festspielen produziert dieses Hybrid zudem stets seine eigene Öffentlichkeit ebenso, wie es den realen Außenraum des Sozialen, die Stadtlandschaft und das politisch-intellektuelle Klima als Lebenselixier benötigt. Ausgehend von solchen Überlegungen positionierte sich im Juni in Leipzig die Reihe „Westend

05 - know your rights“. Zur pointierten Untersuchung stand die Frage nach der Selbstaufzehrung wie nach der Neubestimmung von Öffentlichkeit durch Ausdehnung in jene städtischen Brachflächen und Leerräume, welche zehn Jahre Deindustrialisierung im Arbeiter- und Gewerbestadtteil Leipzig-Plagwitz produziert haben.

 

Was man zur Revolte braucht. - Kann es noch um Revolte gehen? Offenbar nicht. Revolution als Ramschware jedenfalls bot der Leipziger Künstler Bertram Haude an. Im Gewand eines Discounter-Prospekts wurde unter dem Slogan „revolution / Besorgt‘s euch doch einfach“ Demobedarf aller Art feilgeboten - auch als Wurfsendung in dreißigtausend Haushalte. Außerdem baute Haude am Bundesgedenktag 17. Juni einen Stand in der Leipziger Innenstadt auf. Gute Geschäfte machte der Künstler allerdings nicht, obwohl das Pfund faule Tomaten schon ab 29 Cent zu haben war. Aufruhr taugt offenbar nicht als Schnäppchen. Westend 05 hatte sich viel abgefordert. Mit einer Kombination aus bildender und darstellender Kunst wollte das Kuratorinnenduo Heike Albrecht und Lilian Engelmann nichts weniger als den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Demokratie zum Thema der temporären Kunst-Öffentlichkeit bestimmen; eine Öffentlichkeit, in die, so der amerikanische Pragmatist John Dewey als Mottogeber, die Demokratie ihre Konflikte hineinträgt.

 

 

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