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homesick

Der Norden Deutschlands ist voll von Verschleppten. Besonders die Gegend um Berlin ist heute, nach Jahrtausenden, immer noch von einer unzähligen Gemeinschaft Vertriebener aus Nordeuropa übersät.

Durch immense Gewalten wurden große Mengen nordischer Gesteine aus ihrer rechtmäßigen Heimat abtransportiert.

 

Seit dem 6. September 2000 gibt es das ‘Zentrum gegen Vertreibung’.

Es ist hervorgegangen aus den Bemühungen des Bundes der Vertriebenen.

Mit Erika Steinbach und Peter Glotz an der Spitze, versuchen diese Leute, eine Plattform einzurichten,

mit welcher sie den, Zitat ZgV-: „Völkervertreibungen weltweit entgegenzuwirken, sie zu ächten und zu verhindern, um dadurch der Völkerverständigung, der Versöhnung und der friedlichen Nachbarschaft der Völker zu dienen“. Doch schaut man genauer hin, geht es vielmehr um „Ur“-Rechte deutscher Minderheiten, gegen die „Unrechts“-Dekrete der Polen und Tschechen und die Rehabilitierung der umgesiedelten Deutschen mit allen Konsequenzen.

Zitat:„Opfer dürfen nicht missachtet, sie müssen in einer zivilisierten Welt „ins Recht gesetzt“ werden!"

Es geht nicht um Anklage, es geht um Wiedergutmachung. - In landsmannschaftlicher Verbundenheit Johann Böhm, Mitglied des bayerischen Landtages, Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe.“

 

Die konsequente Unterbeleuchtung historischer Tatsachen macht dieses entlarvende deutsche Verhalten jetzt, wo die Preussische Treuhand eine Sammelklage gegen Polen aufstellt, so furchterregend.

Wenn diese Volksgenossen es demnächst zu schaffen hoffen, “die deutsche Tätergesellschaft in ein nationales Kollektiv von Opfern umzuwidmen” (Erich Später, in: konkret), wird es vielleicht bald möglich sein, auch allen anderen “Opfern” ihr Recht zukommen zu lassen.

Denn wer als Opfer ausgewiesen ist, hat ein Recht auf Wiedergutmachung!

 

Mit der Aktion “homesick” wird dieser Wiedergutmachungsbestrebung, beispielhaft an den Vertriebenen aus Nordeuropa, symbolisch als auch praktisch Vorschub geleistet. Erste Findlings-Rücksiedler dürfen bereits ihre Heimreise Richtung Norden antreten.

 

Der Widerspruch zwischen historisch legitimierter Besitzstandswahrung, erhoben mit Hilfe beweiskräftiger Zeugnisse in Form von archäologischen Funden, geschichtlichen Aktenmaterial bis hin zu ideologisch verzerrten Ansprüchen, und der doch immer unauffindbar bleibenden “Urheimat” wird anhand eines “geologischen Gleichnisses” aufgegriffen und ad absurdum geführt.

 

In 200 Millionen Jahren, falls es die Erde dann überhaupt noch geben sollte, wird der Mittelmeerraum weitestgehend zu einem Gebirge aufgefaltet, die Ostsee durch Hebung Festland geworden und Westeuropa durch ein Meer im Senkungsgebiet Rhonetal - Rheintal von Mitteleuropa getrennt sein.

Die auf dem obigen Bild zu sehende Landschaft würde dann, von Sedimenten überdeckt,

in den Tiefen der Nordsee liegen.

 

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"That´s where you belong to" (gekürzt) von BETTINA REICHMUTH

in: Der Feind im Kopf, Künstlerische Zugänge und wissenschaftliche Analysen zu Feindbildern.

Thomas Klemm, Christian Lotz, Katja Naumann (Hg.), Universitätsverlag Leipzig, 2005

251 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-86583-045-6, 30.00 €

 

Die in der Fotoserie „homesick“ zu sehenden Steine, auch Findlinge genannt, sind in der letzten Eiszeit aus Nordeuropa Richtung Süden transportiert worden. Sie sind wie Emigranten, die ihre Heimat verlassen haben und Mitteleuropa erreichten. Seitdem liegen sie, in geraumer Distanz zu ihrem Herkunftsort, als „erratische Blöcke“ auch in der Feldberger Seenlandschaft verstreut. Im Laufe der Geschichte wurden sie beim Bau von Hünengräbern, Kirchen, Häusern und besonders für Alleen verwendet, heute sind sie als Splitter der Geschichte am Rand norddeutscher Felder, in Wäldern und kleinen Senken zu finden.

Die 6-teilige Fotoarbeit von Bertram Haude zeigt Momente einer Wanderung, deren Ausrichtung nach Norden zwar nicht sofort augenscheinlich, doch konzeptuell wesentlich ist. Der englische Titel „homesick“ öffnet den Begriff des Heimwehs auf verschiedene Weise: Wie sich „sick“ auf „home“ bezieht, kann verschieden interpretiert werden, einschließlich im Sinne von Unbehagen. Der Begriff setzt eine emotionale Beziehung voraus, die an einem Ende ein Zuhause als Orientierungspunkt suggeriert.

Doch warum befinden sich Dinge und Menschen nicht mehr am Ort ihrer Herkunft?

Und, ganz „naiv“ gefragt, warum ist das ein Problem?

Der steinerne „Eindringling“, der erst in jüngster Zeit durch geologische Untersuchungen als solcher identifiziert wurde, wird in „homesick“ nun wieder in Richtung Norden abtransportiert: eine „Heimkehr- Initiative“ und offensichtlich eine Aufräumaktion dieses Landstriches. Der Stein bietet sich an als Verbildlichung eines Gedankens: Man kann ihn nicht vernichten, sondern nur verschieben. Die hier metaphorisch angedeutete Verschiebung kann Fragen nach dem Abstraktionsgrad von Heimat, „Wiedergutmachung“ und nach der heutigen Bedeutung von Nationalstaatsgrenzen aufwerfen.

Wird „Heimat“ auf der Seite von Emigranten nicht zunehmend zu einem Bild, das sich aus Legenden, Erinnerungen und Projektionen zusammen setzt? Auf der anderen Seite wird „Heimat“ instrumentalisiert und schließlich mit Begriffen wie „Heimatrecht“ positiv belegt, um einen fiktiven Ort „wahrer“ Zugehörigkeit und damit einen Grund für wie auch immer geartete „Heimkehr“ zu schaffen. Die historischen Umstände bilden dazu einen Hintergrund, der dies als eine Strategie der Entledigung entlarvt.

Die dokumentierenden Fotografien unterstellen zunächst ein reales Heimat-Projekt, das den Betrachter jedoch mit falschen Versprechungen in die Leere des Nordens führt. Es zieht vielmehr eine fiktive Spur irgendwo in Mecklenburg, deren Ziel nicht sichtbar ist und auch nicht werden kann. Entsprechend ist in den Bildern keine Reihenfolge auszumachen und auch kein Ergebnis der Aktion. Vielmehr bleibt bei der Beobachtung des Protagonisten die Erinnerung an Sisyphos. Die Absurdität seiner Handlung führt unmittelbar zur Frage nach deren Hintergrund: hat hier der Protagonist überhaupt selbst entschieden,

was er tut und warum? Von wo gehen - nicht nur soziale und politische - Handlungen aus?

 

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