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Feld

Die Arbeit "Feld", welche für die Ausstellung "Die Einen, die Gleichen und die Anderen" angefertigt wurde und auf die vorhandene, ehemalige Situation des Ausstellungsraumes (Turnhalle/Bauhalle) eingeht, versteht sich als eine Metapher für Felder (Konstruktionen, die beispielsweise das Soziale, das Politische, das Ökonomische, das Kulturelle etc. ausbilden und hervorbringen).

 

So, wie man ungeahnt auf die „Arbeit“, auf das „Feld“ läuft, wenn man die Halle betritt, so hat man schon mehrere Felder betreten, ist in sie hineingestellt bzw. in ihnen aktiv und bezieht sogar mehr oder weniger seinen Lebenssinn aus ihnen - ohne sie dabei explizieren zu können oder zu müssen.

Die minimale Verschiebung, die nicht aufeinander treffenden Linien, verletzen die Konstitution des Spieles, die Spielregel, und das Spiel kann nicht mehr "ordentlich" gespielt werden, „es macht keinen Sinn“ mehr.

Erst in Momenten der Unstimmigkeit, der Störung oder durch bewußte Einsichtnahme wird man auf sie aufmerksam. Dann erst stößt man auf ihre Formen: Verhalten, Zielsetzungen, Abgrenzungen, Geschmack, Werte, Rezeption, Codes, usf., die man sich wohl nie vollständig bewußt machen kann.

Das ist dann der (vom eigenen Feld aus unternommene!) Blick auf die Konsole, in das eigene Programm. Meistens lebt man in ihm.

 

Diese eingerichteten "Welten", die als Felder, Spiele oder Habitate bezeichnet werden können, sind, wenn sie nicht als konstruiertes Spiel reflektiert werden, sinnstiftend und zwingend. Übergänge zu neuen Feldern geschehen überwiegend unbemerkt. Und selbst wenn man das alles als Spiel verstanden hat (laut Bourdieu ist das der Aufklärungsmoment), so kann dieses Spiel nicht sofort, wohl nie so wie man gern möchte, zumeist nur geringfügig oder gar nicht geändert werden.

 

In Spiele einsteigen und aus Spielen aussteigen ist voraussetzungsvoll. Die Kenntnis von Codes, Rangordnungen und Etikette, das Verfügen über materielles und symbolisches Kapital sind eben gerade das, was denjenigen, die nicht zum Spiel gehören, vorenthalten ist und worüber sie nicht "tatsächlich" verfügen (Erziehung, Sprache, Verhalten, Interessen ...).

 

Doch was geschieht, wenn wir das Spiel als Spiel begreifen? Was den Sport angeht, sollte sich dies eigentlich noch meistern lassen. Recht einfach könnte die "Ernsthaftigkeit" innerhalb des Spieles (zBsp.Fußball) erlebt werden, und doch kann man in der Lage sein, Drinnen und Draussen zu verstehen und sich dementsprechend zu verhalten (der Gegner auf dem Fußballplatz wird dann eben nicht nach Spielende verprügelt). Aber das Spiel, das Feld würde nicht funktionieren, wenn sein Programm explizit gemacht würde, wenn der „Sinn“ zur Verhandlung stünde! Doch das Begreifen dieser Logik, das Schalten zwischen "Spielen"/"Feldern" relativiert die "Echtheit", die „Wahrheit“ des einen Spieles: Plötzlich gilt die Regel, das Gefühl, welches gerade noch total war nicht mehr? Konsequent gedacht und praktiziert könnte das schließlich auch bedeuten: nicht mehr "wirklich" mitspielen zu können, denn man wird sich der Illusion der spielimmanenten Ziele plötzlich bewußt. Was noch nicht bedeutet, daß man sie auch in ihrer Genese und Komplexität versteht oder sie gar beeinflussen könnte! Aber man fragt nach der Bedeutung, dem Sinn und der Legitimation.

In diesem Sinne ist das Verlassen bzw. das Begreifen von Spiel, also Aufklärung, nicht zu haben, ohne den "Ernst der Realität" zu relativieren. Das gilt aber lebensweltlich gesehen mehr für das Denken als für die Praxis, denn man lebt nur, indem man sich im Spiel, in Spielen befindet. Aufklärung bedeutet Aufspüren, Dekonstruktion und Zerstörung.

 

 

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 " ... um das Reich (des Friedens) herzustellen, werden nicht alle Dinge zu zerstören sein und eine ganze neue Welt fängt an; sondern diese Tasse oder jener Strauch oder jener Stein und so alle Dinge sind nur ein wenig zu verrücken. Weil aber dieses Wenige so schwer zu tun und sein Maß so schwierig zu finden ist, können das, was die Welt angeht, nicht die Menschen tun ... mit diesem Satz wird durchaus dem Sprung des glücklichen Blicks und der glücklichen Hand das Wort geredet."

 

Textauszug aus: Ernst Bloch, Gesamtausgabe Bd.1, SPUREN, Suhrkamp 1969, S. 201 f. (Die glückliche Hand)

 

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"Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Feld (Spiel) ist gebunden an die Zustimmung zu der innerhalb der Grenzen dieses Feldes einhellig gebilligten doxa." (Meinung, Ansicht, ggf. auch Wissen, Regel / bei Bourdieu die Prinzipien des Bewertens)

„Dies ist es, was das Feld als solches eigentlich definiert. In diesem Fall besteht das Implizite in dem, was die Teilnahme am Spiel impliziert, nämlich in der dieser Teilnahme inhärenten illusio als dem grundlegenden Glauben an den Sinn des Spiels und den Wert dessen, was auf dem Spiel steht.

...

Für jedes Feld ist nämlich die Verfolgung eines spezifischen Ziels charakteristisch, das geeignet ist, alle, die über die erforderlichen Einstellungen verfügen, dazu zu bringen, sich voll und ganz dafür einzusetzen.  ...

 

An der illusio teilhaben heißt Einsätze ernst nehmen, die, aus der Logik des Spiels selbst hervorgehen und dessen Ernst begründen, mögen sie auch den ... in anderen Feldern Engagierten unverständlich bleiben oder als „uninteressant“ oder „zwecklos“ erscheinen.

 

Die Unabhängigkeit der Felder voneinander geht mit einer gewissen Unkommunizierbarkeit zwischen ihnen einher.

 

Die spezifische Logik eines Feldes nimmt als spezifischer Habitus Gestalt an, genauer genommen in einem gewöhnlich als „philosophischer“, „literarischer“, „künstlerischer“ usw. – (warum nicht alltäglicher, in jeder Gruppe gebildeter?) „Geist“ oder „Sinn“ bezeichneten Sinn für das Spiel, der praktisch niemals explizit artikuliert oder vorgeschrieben wird. Die für die Zulassung zu dem Spiel und den Erwerb des spezifischen Habitus erforderliche, je nach dem Ausgangspunkt mehr oder weniger radikale Umwandlung des ursrünglichen Habitus vollzieht sich unauffällig, das heißt graduell, allmählich und unmerklich, so dass sie im wesentlichen gar nicht wahrgenommen wird.“

 

Textauszüge aus: Bourdieu, Meditationen, suhrkamp, 2001 

 

 

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